Sylt sucht seine Linie

Nach jahrelanger Stagnation in Politik und Wirtschaft hinsichtlich der Überlebensfragen der Insel, scheint nun etwas Bewegung in die insulare Diskussion zu kommen. Corona sei Dank, muss man da wohl leider sagen, denn die viel wichtigere Klimafrage hatte das bis zum Jahresende 2019 nicht geschafft- der virusbedingte Shutdown schon. Inzwischen hat sich mit der Bürgerinitiative „Merret reicht´s“ ein neues „Druckpotential“ aufgebaut, das mit überwiegend frischen Gesichtern, guter insularer Vernetzung und scharfem Sachverstand, sowie großer Bereitschaft, etwas ändern zu wollen, festgefahrene Strukturen aufscheucht. Dass soll diejenigen nicht abwerten, die seit Jahren für eben dieses Ansinnen bekannt sind und Wegbereiter waren und immer noch sind, für diese bislang immer noch zu kleine Welle der Veränderung. Gebraucht werden jetzt sicherlich alle, die etwas bewegen wollen, ob die altbekannten Stakeholder aus der grünen Natur- und Umweltszene, oder neue entrüstete Sylter BürgerInnen.

Was läuft in Sachen  Inselklima?

Immerhin hatte es die Klimaschutz -Diskussion samt Großdemo in Westerland geschafft, vergangenes Jahr eine hauptamtliche Stelle für eine Klimamanagerin durchzudrücken. Catharina Beyerlein ist nun fast ein Jahr im Amt. Auch wenn bislang kaum etwas von ihr an die Öffentlichkeit dringt, versichert sie, bis über beide Ohren in Arbeit zu stecken- und die sieht bislang eher strukturell aus. Die Klimamanagerin will einen breiten insularen Dialog zu Mobilität, Tourismus, Energie und Nachhaltigkeit anschieben. Dazu hat sie mit Hilfe einer Agentur einen Plan entwickelt, dessen komplizierten Wege darzustellen, hier zu weit führen würde, zumal kurz nach der Veröffentlichung ihrer Pläne Moritz Luft, der Geschäftsführer der Sylt Marketing, verlauten liess, mit einem eigenen Zukunftsforum zu Mobilität und Tourismus aufzuwarten, das Teile des Beyerlein-Konzeptes schlucken würde.

Auch ist die Klimamanagerin dabei eine Ausschreibung für eine externe Firma vorzubereiten, die das Klimakonzept Sylt aus 2011 auf einen aktuellen Stand bringen soll. Darin sollen dann vernünftige und praktisch umsetzbar Vorschläge stehen- man darf gespannt sein. Es wird jedoch noch ein Jahr bis zur Fertigstellung dauern. Weiter ist Frau Beyerlein inzwischen mit dem ihr vom Landschaftszweckverband aufgetragenen Job, etwas Plakatives gegen die Zigarettenkippen am Strand zu unternehmen. Da ist sie in Kontakt mit Firmen, die Kippen zu Aschenbecher  recyceln. Das ganze soll natürlich vor allem Bewusstsein schaffen seine Glimmstängel nicht mehr in die Gegend zu werfen und das findet mehr Anklang, wenn noch etwas „Vernünftiges“ aus dem Abfall gemacht werden kann. Bei den Sammelstationen für Strandmüll (immerhin über 600 Tonnen pro Jahr auf Sylt), die auch von Gästen genutzt werden könnten, beisst sie bei den BürgermeisterInnen, die ihre Vorgesetzten sind, leider noch auf Granit: Die meinen, Gäste würden erwarten, dass die Strandreinigung ausschliesslich von den Gemeinden durchgeführt werden müsste. Dabei gibt es auf zahlreichen anderen Nordseeinseln längst das Prinzip der Strandmüllboxen, das Gäste und Einheimische begeistert annehmen, in dem Wissen, etwas Gutes für die Umwelt zu tun. Inwieweit es Plastikvermeidung in den zahlreichen Geschäften der Insel geben wird, um das Müllproblem zu minimieren, wird sich dann wohl am Ende des „breiten Diskussionsprozesses“ zeigen, der bislang ohne konkrete Zeitschiene daher kommt.

Themenwechsel: Sylt sucht (k)einen BürgermeisterIn.

Kaum war die Anzeige  bundesweit raus, dass für die Bürgermeisterwahl im kommenden Jahr BewerberInnen gesucht werden, schoss die Sylter CDU im Husarenstreich eine alte Idee aus der Schublade: Wozu brauchen wir so was? Lasst uns doch ein Amtsmodell machen. Amtsmodell bedeutet, dass ein Amtsdirektor für alle Inselgemeinden eingestellt wird, der für eine gute Verwaltung sorgt. Damit hätten die einzelnen BürgermeisterInnen jedoch weniger Handlungsspielraum  und wären eher für repräsentative Aufgaben zuständig. Hört sich nach sinnvoller Einsparung und insularem Zusammenschluss an. Ist nur leider nicht mehr so bürgernah wie die Bürgermeisterwahl, die vom Volk ausgeht, weil der Amtsdirektor von den BürgermeisterInnen eingestellt wird und die gewählten VertreterInnen der Selbstverwaltungen dann noch weniger Einfluss auf die Amtsgeschäfte haben werden, als derzeit. Eine echte Fusion, wie sie nach wie vor von jenen angestrebt wird, die sich nicht mit Kirchturmdenken identifizieren, sondern sich als „Sylter“ verstehen, wäre das nicht. Der Einfluss von bestimmten Lobbyisten könnte auf so eine Amtsverwaltung eventuell noch grösser als bisher werden. Dabei wäre eine demokratisch legitimierte insulare Zusammenarbeit so dringend notwendig, um viele Probleme zu klären:

Raumordnung, Planung und insulare Zusammenarbeit

Sylt verramscht inzwischen seine Naturschutzgebiete bei Ebay.

Beispielsweise den seitens des Landes aktuell vorgelegten Raumordnungsvertrag. Derzeit entscheidet jede Gemeinde einzeln über das wichtige Vertragswerk, das die zukünftige Bebauung zum Vermehren von Dauerwohnraum regeln soll. Da stecken die Fragen im Detail fest, die in einer offenen gesamtinsularen Runde sicher geklärt werden könnten, wenn alle das Wohl der Gesamtinsel im Auge hätten. Das Land versucht derzeit mit Teillösungen und Fristsetzungen Entscheidungsdruck aufzubauen. Warum sie das machen, ist unklar- aber die Frage ist legitim, ob Interessen von Investoren beteiligt sind, die gern auf Landesebene Strippen ziehen. Auf keinen Fall darf das Dauerargument „Wir brauchen Wohnraum“ zu mehr Versiegelung von Naturraum führen und auch nicht zu einer schleichenden Vermehrung von Gästebetten.

Gut zehn Jahre nach der insularen Teilfusion ist leider keine Bereitschaft abzusehen, diese wirklich zu einem Gesamt-Schulterschluss aller Inselgemeinden werden zu lassen. Im Gegenteil, die Spannungen zwischen den Akteuren haben sich eher verschärft. Wenn es das Amtsmodell auch nicht sein soll- was käme dann in Frage? Roland Klockenhoff von den Grünen schlägt einen  fest institutionalisierten Planungsverband vor, der sich neben der Wohnproblematik mit weiteren drängende Fragen beschäftigt und gesamtinsulare Lösungen erarbeitet.

Dabei wäre die Hilfestellung der Landesplanung gefragt.

Themen des Verbandes wären beispielsweise:

1. Tourismuskonzept, weg von Quantität, hin zu nachhaltiger Qualität 

2. Mobilitätskonzept unter besonderer Berücksichtigung von ÖPNV,Radwegeausbau, Flugverkehr und Häfen.

3.Altenpflege mit genügend Kapazitäten für Sylter

4.Sylter Archiv Modernisierung und Erhalt

u.v.a.m.

Lothar Koch